Zum Inhalt springen
03.04.2016

„Charisma ist kein Privatbesitz“ Diözesanrat macht sich auf den Weg zu einer Erneuerung der Pastoral

„Gemeinsam Kirche sein“ unter dieser Überschrift stand der Studienteil der Frühjahrsvollversammlung des Diözesanrats der Katholiken im Bistum Eichstätt am 12. März in der Nürnberger Pfarrei Maria am Hauch.

Im Nachgang zum überdiözesanen Gesprächsprozess der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in den Jahren 2011 bis 2015 war es ein Anliegen der Delegierten des Diözesanrats, den wichtigen Prozess des Wandels positiv zu gestalten und nicht zu „erleiden“, wie es der Vorsitzende des Diözesanrats Christian Gärtner in seiner Einführung betonte.

Im Mittelpunkt der Diskussionen stand dabei das gleichnamige Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral, das ebenfalls von vielen Erwartungen und Erfahrungen des Gesprächsprozesses geprägt sei und an dem auch Bischof Gregor Maria Hanke OSB maßgebend mitgearbeitet hatte.

Die inhaltliche Vorstellung des Papiers übernahm Dr. Claudia Kunz, die im Bereich Pastoral des Sekretariats der DBK das Wort der Bischöfe mit vorbereitet hatte. Die Entwicklungen der letzten Jahre beschrieb Kunz dabei als „Fahren auf Sicht“, die Kirche unterliege vielen Zwängen, die auch von außen auf sie einwirken würden. Man befinde sich in einer Zeit, in der Kirche viel verliere und der stetige Abbruch erlebbar sei. Daher gehe es darum, die Kirche neu zu empfangen, denn der Mensch mache sie nicht selbst.

Das Papier „Gemeinsam Kirche sein“ sei in einem langen Prozess entstanden, begleitet und inspiriert durch den Dialogprozess, die inhaltliche Ausarbeitung habe in den beiden Kommissionen für die Pastoral (Kommission 3) und für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste (Kommission 4) stattgefunden. Der mehrjährige Prozess wurde darüber hinaus durch das Sekretariat der DBK sowie weiterer Experten begleitet.

Letztendlich sei, wie bei allen Texten der DBK, ein Konsenstext entstanden, um den schlussendlich 27 Diözesanbischöfe gerungen hatten. Der Pastoralkommission sei insbesondere die Würdigung des Engagements der Laien wichtig gewesen und die Kommission der Berufe und Dienste legte den Schwerpunkt auf die veränderten Anforderungen an Priester, Diakone und pastorale Mitarbeiter, die sich aus veränderten Strukturen und größeren Räumen ergäben.

Die einzelnen Kapitel aus „Gemeinsam Kirche sein“ stellte Dr. Kunz anschließend anhand zentraler Textpassagen dar. Der Einleitung stehe der programmatische Grundsatz „Wir müssen die Kirche nicht retten“ voran, denn Jesus Christus stifte die Kirche und sie erfahre durch ihn ihre Sendung. Das Verlange Mut und Demut zugleich, da derzeit nicht wenige eher Ab- als Aufbruch erfahren würden und sich mit ihren Fragen, Sorgen und Nöten an die Kirche wenden würden. Mit einer angstfreien Auseinandersetzung mit diesen Anfragen und der Gewissheit Jesus im Rücken zu haben, lies sich aber ein Neuaufbruch wagen.

Die Grundaussage des ersten Kapitels, dass jeder Mensch zur Heiligkeit berufen sei, klinge für viele heutzutage eher befremdlich. Dabei sei, gefestigt durch die Texte des zweiten Vatikanischen Konzils, insbesondere Lumen Gentium, dadurch der Wunsch nach Partizipation der Menschen an Entscheidungen der Kirche nicht nur berechtigt, sondern auch theologisch begründet. Dies fordere, so Dr. Kunz, in vielen Bereichen der Kirche eine Umkehr.

So werde im zweiten Kapitel die Forderung an die Pastoral formuliert, die Charismen der Einzelnen als Reichtum der Kirche zu entdecken, sie zu fördern und ihnen einen positiven Entfaltungsraum in der Kirche zu öffnen. Für die Arbeit in den Pfarreien verlange dies ein Umdenken weg von vorgegebenen Aufgabengebieten im sogenannten „klassischen Ehrenamt“ hin zur individuellen Möglichkeit seine persönliche Gabe entdecken, einbringen und entfalten zu können. Verstärkt werde dieser Aspekt noch durch das dritte Kapitel, das klarstelle, dass die Kirche als Ganzes für den Menschen da sei. Das Gemeinsame aller Getauften und Gefirmten stehe vor den Unterschieden in Ämtern, Diensten und Berufen der Kirche. So könne das Kirchesein der Getauften und Gefirmten auch durch das Weiheamt nicht weiter gesteigert werden. Für die Praxis bedeute dies, dass die Laien nicht für das da seien, wozu der Klerus keine Zeit habe. Vielmehr sei es Aufgabe aller Hauptamtlichen in der Kirche, den Getauften und ihren Charismen zu dienen. Das vierte Kapitel bestärke in dieser Aufgabe das „Amt in der Kirche“, sprich den Priester vor Ort, in seiner Position als den Garanten der Einheit, der Partizipation Aller ermögliche. Dabei gehe es nicht um Management im wirtschaftlichen Sinne, sondern um die Hirtensorge Jesu Christi, die sakramental erfahrbar wird.

Mit „Leitung in der Kirche“ beschäftige sich das fünfte Kapitel. Dem Ganzen zu dienen heiße dabei zu delegieren und nicht Macht zu konzentrieren. Alle Ebenen der Leitung der Kirchen komme die Aufgabe zu, Räume zu eröffnen, in denen sich Menschen auf den Weg zu Gott machen können.

Dem sechsten Kapitel steht die Feststellung, dass sich die Pastoral der Kirche erneuere voran. Die Bischöfe würden sich mit ihrem Wort „Gemeinsam Kirche sein“ aber deutlich zur Pfarrei als territorialem Ordnungsprinzip bekennen, wie Dr. Kunz betonte. Die Pfarrei sei dabei, wie es Papst Johannes Paul II. umschrieb, „Gemeinschaft von Gemeinschaften“.

Mit dem Schlusskapitel gehe die Perspektive einher, dass die Kirche nicht um ihrer selbst Willen da sei, sondern für die Menschen. So sei auch das Papier der DBK nicht als dogmatischer Text zu verstehen, sondern vielmehr als Impulsgeber, das Anregungen für eine Erneuerung der Pastoral gebe.

Aus dieser Perspektive heraus formulierte Dr. Kunz die unterschiedlichsten Fragestellungen: Wie und wo könne man Kirche neu empfangen? Wo sei Kirche bei den Menschen? Wo könne man erleben, dass Taufe durch Nichts zu steigern sei, auch nicht durch die Weihe? Wie könne die Kirche als Ganze Eucharistie feiern?

Daraus entstand in Kleingruppen ein munterer Austausch unter den Delegierten, dem sich auch Bischof Gregor Maria Hanke und Generalvikar Isidor Vollnhals anschlossen.

Im anschließenden Plenum wurden verschiedene Herausforderungen der Pastoral vor Ort deutlich, so sorge ein Pfarrerwechsel zum Beispiel häufig für größere Umbrüche. Hier sei das gemeinsame Gespräch unheimlich wichtig, ebenso das Entdecken unterschiedlicher Charismen und der achtsame Umgang miteinander. Das vorurteilsfreie aufeinander Zugehen stelle eine große Herausforderung dar.

Die Referentin des Studienteils machte klar, dass man noch lange nicht bei dem angekommen sei, was das Papier beschreibe. Es gebe ja schließlich auch noch Geistliche, die in einem ganz anderen Verständnis ausgebildet worden seinen. Und auch heute erfolge die Priesterausbildung in manchen Bereichen noch für eine Kirche, die es gar nicht mehr gebe, daher brauche es dringend auch Begleitung für das Hauptamt.

Für eine Delegierte sei das Papier „himmelweit“ von der Realität entfernt. Man solle sich dieser doch stellen. Ehrenamtlich würden zwar fehlende Hauptamtlich kompensieren, aber das müsse ja nicht zwangsläufig schlecht sein. Dabei müsse man sich aber auch bewusst sein, dass immer Macht im Spiel sei. Besser sei es daher, Macht war zu nehmen und sie bewusst zu gestalten anstatt alles seinen Lauf zu lassen.

Bei einer Neuausrichtung der Pastoral sei die Transparenz unheimlich wichtig, betonte eine weitere Delegierte, damit man „Ältere“ nicht verliere aber auch Neue gewinnen könne.

Für die Jugend sei es dabei oft schwierig, eigene Ideen einbringen zu können und an der Kirche zu partizipieren. Die Forderung nach einem Umdenken, gerade in diesem Bereich, erzeugte große Zustimmung unter den Delegierten.

Für den Geschäftsführer des Diözesanrats Richard Ulrich seien viele Positionen des Papiers der DBK bereits im zweiten Vatikanischen Konzil grundgelegt, aber nicht im Bewusstsein heutiger Tage angekommen. Ein Kernbegriff sei für ihn daher der Mentalitätswandel und die Fragestellung, wie dieser auf allen kirchlichen Ebenen vollzogen werden könne.

Für Bischof Gregor Maria Hanke OSB sei der Text eine Einladung zur persönlichen spirituellen Vertiefung. Noch habe man bei der Frage, was genau eigentlich ein Charisma sei keinen abschließenden Standpunkt gefunden. Eines sei ein Charisma aber auf keinen Fall, der private Besitz eines Individuums. Vielmehr sei jeder gefragt, sein Charisma für die Gemeinschaft einzubringen.


Eine Bildergalerie finden Sie hier.