Zum Inhalt springen
12.11.2024

Diözesanratsvorsitzender Gärtner für Diözesansynode nach Weltsynode

Der Vorsitzende des Diözesanrats im Bistum Eichstätt, Christian Gärtner, zieht ein positives Fazit der Weltsynode der katholischen Kirche. Das Abschlussdokument enthalte Vorschläge, die teilweise identisch seien mit denen des Synodalen Weges in Deutschland. Über deren Umsetzung im Bistum könnte seiner Meinung nach bei einer Diözesansynode diskutiert und entschieden werden. Gärtner sieht durch die Weltsynode viel „Rückenwind“ für eine Initiative des Diözesanrats zu mehr Beteiligung der Gläubigen bei diözesanen Entscheidungen. Neue Gremien brauche es dafür nicht.

Herr Gärtner, wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen der Weltsynode?

Christian Gärtner: Alles in allem bin ich sehr zufrieden, auch wenn sich viele in Deutschland nach dem Synodalen Weg wahrscheinlich mehr konkrete Reformergebnisse erwartet haben. Das Abschlussdokument der Weltsynode ist für mich ein erster Aufschlag auf dem gemeinsamen Weg, den wir als Gläubige hin zu einer immer mehr synodalen Kirche gehen müssen. Das wird wohl eher ein synodaler Marathon als ein Sprint. Ich hoffe nur, dass möglichst viele Gläubige in Deutschland und auch in unserem Bistum noch die nötige Geduld und Ausdauer für diese Langstrecke haben werden.

Zum Abschluss der ersten Phase der Weltsynode haben Sie prognostiziert, dass „wahrscheinlich auf Ebene einzelner Ortskirchen, Bischofskonferenzen oder Kontinente konkrete Reformschritte umgesetzt werden könnten, die vor Ort eine entsprechende Zustimmung finden.“ Genau in dieser Richtung geht das jetzige Abschlussdokument, oder?

Ja, eine zentrale Aussage des Dokuments ist, dass es in der Kirche mehr Dezentralisierung braucht und auch mehr Sensibilität für die unterschiedlichen kulturellen und sozialen Kontexte, in denen die Gläubigen ihren Glauben vor Ort leben und praktizieren.

Ein besonders eindrückliches Beispiel, das auch in den Gesprächen, die wir vom Landeskomitee letzte Woche in Rom geführt haben, eine Rolle gespielt hat, ist das Thema „Polygamie“. Das ist ein Thema, das ich zugegebenermaßen als Westeuropäer bisher noch gar nicht auf dem Schirm hatte, das aber in manchen Teilen Afrikas die Pastoral vor Ort vor schwierige Herausforderungen stellt. Umgekehrt ist in unserer Gesellschaft beispielsweise die Frage nach dem Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eine zentrale Frage für die Glaubwürdigkeit der Kirche hier bei uns.

Sprechen wir über konkrete Punkte, die im Abschlussdokument genannt werden: Stichwort Rechenschaftspflicht kirchlicher Autoritäten, Transparenz und Evaluation der Amtsführung. Was sollte diesbezüglich im Bistum Eichstätt geschehen?

Diese von der Synode geforderten Prinzipien für die Entscheidungsfindung auf allen Ebenen in einer synodalen Kirche müssen auch in unserem Bistum in rechtlich verbindlichen Strukturen und Prozessen verankert werden. Das Prinzip der Dezentralisierung, das im Abschlussdokument der Weltsynode stark gemacht wird, eröffnet dafür auf Bistumsebene meines Erachtens große Spielräume, ohne erst auf Änderungen im weltweiten Kirchenrecht warten zu müssen. In diesen Strukturen müssen auf allen Ebenen vor allem die vor Ort engagierten Gläubigen angemessen und demokratisch legitimiert vertreten sein. Demokratische Legitimation von Entscheidungsgremien durch Wahlen ist für mich eines der wichtigsten Prinzipien, die in unseren demokratischen Gesellschaften gewährleistet sein müssen.

Für mehr Synodalität in der Kirche braucht es auch keine neuen Gremien, sondern die bereits vorhandenen synodalen Ansätze in unseren Pfarrgemeinde-, Kirchorts-, Dekanats- und Diözesanräten müssen gestärkt und weiterentwickelt werden, und die vielen schon bestehenden Gremien viel stärker synodal zusammenarbeiten und meiner Meinung nach auch weitgehend zusammengefasst werden. Ganz wichtig ist für mich dabei auch, dass die Entscheidungen über pastorale und strategische Grundsatzfragen und die sich daraus ergebenden finanziellen Konsequenzen für die Haushalte in einem gemeinsamen Gremium getroffen werden, das möglichst die ganze Breite des Gottes Volkes auf der jeweiligen Ebene repräsentieren sollte. Das entspricht dem in unseren westlichen demokratischen Gesellschaften seit der Amerikanischen Unabhängigkeit bewährten demokratisch-parlamentarischen Prinzip von „No taxation without representation („Keine Besteuerung ohne [gewählte politische] Vertretung“).

Wie könnte Ihrer Meinung nach eine Evaluierung der Amtsführung auf Pfarrei- und Bistumsebene stattfinden?

Schon beim Synodalen Weg in Deutschland ist die Idee entstanden, dass auf Pfarreiebene der jeweilige Pfarrer und auf Bistumsebene der Bischof mindestens einmal in der Amtsperiode der jeweiligen synodalen Gremien, also mindestens alle vier Jahre, einen umfassenden Rechenschaftsbericht vorlegen müssen, der dann auch in den Gremien offen diskutiert und gegebenenfalls auch kritisiert werden soll. Im Abschlussdokument der Weltsynode ist das jetzt ergänzt worden durch die Idee, dass diese Berichterstattungs- und Evaluierungsprozesse auf lokaler Ebene auch in den Bericht aufgenommen werden sollten, der von jedem Bischof zu den Ad-limina-Besuchen in Rom vorgelegt werden muss. Das alles halte ich für eine praktikable und sinnvolle Vorgehensweise.

Die Gläubigen sollten nicht „nur beratendes Stimmrecht“ haben. Was bedeutet das für die Arbeit der bereits existierenden Gremien auf Pfarreiebene und im Bistum?

Es ist ja ein grundlegendes Prinzip von Demokratie, dass man in einem verantwortlichen Entscheidungsgremium mehrheitlich gefasste Beschlüsse auch dann akzeptieren sollte, wenn man selbst anderer Meinung war und nicht zugestimmt hat. Für mich braucht es, wie gesagt, keine neuen Gremien für mehr Synodalität. Es würde ausreichen, wenn die schon bestehenden Beratungsgremien mehr echte Entscheidungskompetenzen im Sinne der Weltsynode hätten.

Die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst bleibe offen, die Überlegungen dazu müssten fortgesetzt werden, heißt es im Dokument. Kann das befriedigend sein für Frauen, die eine tiefe Berufung für ein Weihe-Amt in der Kirche verspüren? Oder wird hier wieder auf Zeit gespielt?

An diesem Punkt bleibt das Abschlussdokument der Weltsynode sicher hinter dem zurück, was viele Frauen sich zurecht von einer wirklichen Gleichberechtigung in der Kirche erhoffen. Ob das nur ein Vertrösten und Spielen auf Zeit ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich müssen wir auch in dieser Frage die unterschiedlichen kulturellen Kontexte, in denen der Glaube weltweit gelebt wird, zur Kenntnis nehmen. Ich persönlich könnte mir vorstellen, dass auch in dieser Frage das Prinzip einer stärkeren Dezentralisierung Lösungen erlauben würde, die nicht gleich weltweit gelten müssten. Männliche ständige Diakone gibt es auch nicht überall auf der Welt, obwohl schon das Zweite Vatikanum vor 60 Jahren diese Form des Weiheamtes wieder eingeführt hat.

Beschlüsse einer Bischofskonferenz sollen nach einem Vorschlag der Weltsynodes für jeden Bischof in seiner Diözese verpflichtend werden, der an dem Beschluss beteiligt war. Was erhoffen Sie sich davon zum Beispiel in Bezug auf die Umsetzung von Beschlüssen des Synodalen Weges in Deutschland?

Das wäre natürlich genau der Weg, um die Beschlüsse des Synodalen Weges in Deutschland wenigstens deutschlandweit verbindlich zu machen. Realistischerweise gehe ich aber davon aus, dass eine solche Aufwertung der Bischofskonferenz nur funktionieren wird, wenn auch das weltweite Kirchenrecht an diesem Punkt entsprechend geändert wird. Ich glaube nicht, dass alle deutschen Bischöfe sich schon vorher freiwillig zu einer Akzeptanz von solchen Beschlüssen der Bischofskonferenz, denen sie selbst nicht zugestimmt haben, durchringen können.

Für vier Bischöfe – darunter auch der Bischof von Eichstätt - gehen die Weltsynode und der Synodale Weg nicht Hand in Hand. Wie sehen Sie das als Mitglied des Synodalen Ausschusses?

Ich sehe im Abschlussdokument der Weltsynode beim besten Willen nichts, was uns in Deutschland daran hindern würde, an der Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges weiterzuarbeiten. Auch wenn die Themen Sexualität und priesterliches Leben im Abschlussdokument der Weltsynode nicht oder nur sehr am Rand vorkommen, wird die Frage nach dem Weiheamt für Frauen doch zumindest explizit „offen“ gehalten und generell schon eine stärkere Beteiligung von Frauen in Leitungsfunktionen der Kirche gefordert, wie auch beim Synodalen Weg. Vor allem aber zum Thema von „Macht und Gewaltenteilung“ enthält das Abschlussdokument eine Fülle von Vorschlägen, die teilweise identisch mit denen des Synodalen Weges sind – beispielsweise, wenn sich die Synodenversammlung wünscht, „dass das Volk Gottes bei der Wahl der Bischöfe eine größere Stimme hat“ (Nr. 70) – zumindest aber ganz auf derselben Linie liegen. Deshalb finde ich es sehr schade, dass sich die vier Bischöfe auch nach Abschluss der Weltsynode nicht in der Lage sehen, sich wieder am Fortgang des synodalen Weges in Deutschland zu beteiligen.

Besonders hervorgehoben wird von der Weltsynode die „Diözesansynode als permanente Einrichtung“ (vgl. Nr. 108). Diözesansynoden können auch bisher laut Kirchenrecht abgehalten werden, wurden es im Bistum Eichstätt seit 1952 aber nicht mehr. Sollte eine Diözesansynode im Bistum Eichstätt stattfinden, um die Umsetzung der Vorschläge der Weltsynode eventuell in Kombination mit den Beschlüssen des Synodalen Weges und den Ergebnissen der Pastoralkonzepte zu beraten?

Ich persönlich halte eine Diözesansynode für eine gute Möglichkeit, um in unserem Bistum genau diese Fragen, wie die Vorschläge der Weltsynode für unser Bistum umgesetzt werden können, zu diskutieren und zu entscheiden. Entscheidend ist dabei aber, dass bei einer solchen Diözesansynode wirklich das ganze Volk Gottes in unserem Bistum, vor allem die vor Ort engagierten Gläubigen, angemessen und demokratisch legitimiert vertreten sein müsste.

Jetzt komme es auf die Umsetzung in den Ortskirchen an, heißt es in vielen Wortmeldungen nach der Weltsynode. Was ist, wenn nichts umgesetzt wird?

Wenn dieser weltweite synodale Prozess tatsächlich vor Ort bei uns folgenlos bliebe, dann fürchte ich, würde sich der Auszug vieler Katholiken, gerade auch von engagierten Gläubigen noch einmal verstärken, entweder explizit als Kirchenaustritt oder als Rückzug aus dem Engagement in und für die Kirche.

Welche Folgen haben die Empfehlungen der Weltsynode für den „Fahrplan für mehr Beteiligung bei diözesanen Entscheidungen“, den der Diözesanrat soeben in seiner Herbstvollversammlung beschlossen hat?

In erster Linie sehe ich durch die Weltsynode viel „Rückenwind“ für unsere Initiative. Wir wollen ja damit für unser Bistum genau das erreichen, was im Abschlussdokument an sehr vielen Stellen formuliert wird. Ich nenne hier fünf Beispiele:

  • eine „verstärkte Beteiligung von Laien und Laiinnen an kirchlichen Unterscheidungsprozessen und in allen Phasen von Entscheidungsprozessen (Ausarbeitung und Fassen von Entscheidungen)“ (Nr. 77)
  • „eine stärkere Beteiligung des gesamten Volkes Gottes an Entscheidungsprozessen“ (Nr. 87)
  • mehr „Transparenz, Rechenschaftspflicht und Evaluierung“ (Nr. 95 bis 102)
  • „wirksame Formen und Verfahren der Rechenschaftspflicht und Evaluierung (…) entwickeln“, die „die legitimen Erwartungen der Gesellschaft aufgreifen“ (Nr. 101)
  • „effektive Arbeitsweise der Finanzgremien; die wirksame Beteiligung des Volkes Gottes (…) an der pastoralen und finanziellen Planung“ (Nr. 102) usw.

Mit den Ergebnissen des von Papst Franziskus begonnenen weltweiten synodalen Prozesses haben wir es jetzt vor Ort selbst in der Hand, die Ära der Synodalität in unserer Kirche zu gestalten. Diese Chance sollten wir nutzen.

Die Fragen stellte Geraldo Hoffmann

Domvikar Stübinger zur Weltsynode: „Der Ball liegt jetzt bei den Ortskirchen“

Presseerklärung zum Abschluss der Weltbischofssynode